Achtung! Dies ist ein Spoiler.

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    • Achtung! Dies ist ein Spoiler.

      Am Beginn großer Geschichten lässt man oft tote Männer sprechen.

      Bedeutungsschwere Zitate, deren Inhalt unheilvoll über dem Geschriebenen schwebt. Sätze, die sich erst am Ende völlig erschließen und alles, was geschah, auf Vorhersehbarkeit reduzieren.
      Nährstoff für die "Ich habs gewusst"-Fraktion; Rattengibt für Überraschungsfanatiker.
      Welche Worte würden am Anfang der größten aller Geschichten stehen? Der größten, vorhersehbaren Geschichte.



      Treffend für: Die Eroberung des Brawlin' Rumbles.
      Autor, Regisseur und Hauptdarsteller: Dean Welkey.




      Exclusive.

      ______
      Dean Welkey: "Breads genau hierhin."

      Delegieren ist anstrengend.
      Welkey massiert seine Schläfen und gönnt sich ein ausuferndes Seufzen. Dann beugt er sich wieder nach vorne, stützt seine Hände auf den Tisch und blickt den anderen Mann an. Vance, Aufnahmeleiter von Welkey TV - mit erweitertem Kompetenzbereich zum Mädchen für alles - hört gehorsam zu. Vor den beiden Männern ist ein großes Blatt Papier ausgebreitet. Es zeigt den Innenraum einer Veranstaltungshalle. Ihr wisst schon, von welcher...

      Dean Welkey: "Nein, ich habe mich umentschieden. Lieber doch erste Reihe. Ich will ihm in die Augen sehen können. Ersetze Breads durch Barker, falls der doch verteidigen sollte. Azrael Rage will dort stehen sehen..."

      Er tippt auf eine Stelle der Karte. Ganz so, wie er es in der vergangenen halben Stunde hunderte Male gemacht hat.

      Vance: "Ich weiß nicht, ob Rage da stehen kann."

      Dean Welkey: "Warum?"

      Der ehemalige GFCW-Champion schaut Vance an. Sagt nichts. Vance hört: "Sag mir jetzt nicht, dass das deiner Imkompetent geschuldet ist!"

      Vance: "Er ist schwer krank, hat vorher trotzdem einen Kampf. Ambulance Match, gegen Lucifer. Ich hab dir doch davon erzählt. Wer weiß schon, was da passiert. Vielleicht ist er schwer verletzt. Oder tot."

      Keine Reaktion.

      Vance: "Deswegen meinte ich, er kann vielleicht nicht da stehen."

      Dean Welkey: "Mir ist scheißegal, was mit ihm ist. Er wird genau dort stehen, wo ich dir gerade gezeigt habe. Wenn nicht, werde ich ihn vielleicht persönlich totschlagen."

      Er hebt fragend seine Augenbraue.

      Dean Welkey: "Hast du dir das notiert?"

      Vance: "Mit dem Totschlagen?"

      Dean Welkey: "Die Spalieraufstellung, du Idiot."

      Der Assistent malt ein rotes X auf die Karte. Neben die vorher niedergeschriebenen Namen wie Diego Ortega, Kriss Dalmi und, in anderer Handschrift, Matt Dog, denen auch bereits eine Position zugedacht wurde. Daneben, etwas abseits der anderen Wrestler: Breads/Barker. In Klammern: Je nachdem.
      Unterdessen hat sich Welkey, dessen Gemütszustand zwischen genervt, gereizt und euphorisch in den vergangenen Minuten regelmäßiger hin und her geschwungen ist, als ein Pendel, sich von der Szenerie abgewendet.
      Er starrt aus dem Fenster seines Hotelzimmers, betrachtet lustlos die Umgebung vor ihm. Berlin ist schon ziemlich scheiße.

      Vance: "Ich hab alles."

      Sein Boss klopft ihm im Vorbeigehen gönnerisch auf die Schulter. Sein neues Ziel ist die Minibar. Während er sich herunterbeugt und eine Flasche Diet-Coke nimmt, spricht er mit dem Rücken zu Vance.

      Dean Welkey: "Stell mir den Plan nochmal vor. Von Anfang an."

      Unter der Karte kramt Vance einen Block hervor, dessen Vorderseite von oben bis unten beschrieben ist. Da er all diese Notizen aber selbst gemacht hat - machen musste - findet er sich im Kritzelgewirr bestens zurecht.

      Vance: "Wir warten einige Zeit mit der Musik. Sie spielt, sobald der Ringrichter deinen Arm hebt...-"

      Dean Welkey: "Streichen! Wir machen es anders."

      Zuerst: ein ausgiebiger Schluck Cola.
      Dann: dem fragend dreinblicken Vance beachten.
      Dieser beginnt unterdessen einen neuen Notizzettel. Wird sich ja doch alles ändern.

      Dean Welkey: "Den Ringrichter nehmen wir ganz raus. Stattdessen werde ich zuerst auf die Knie fallen. Der Gladiator nach der Schlacht. Dann..."

      Tippt Vance auf die Brust.

      Dean Welkey: "...kommst du in den Ring. Filmst mich erst ganz nah, wie ich dort knie, Ungläubigkeit und Freude vortäusche. Benachrichtige vorher unbedingt die Regie, damit die in diesem Moment auch wirklich unsere Bilder laufen lassen. Gib mir vor der Nahaufnahme außerdem ein Zeichen, falls etwas mit meinem Gesicht nimmt stimmt."

      Er nimmt Vance den Notizblock aus der Hand, wirft einen kurzen Blick darauf und schmeißt ihn dann auf den Tisch zurück.

      Dean Welkey: "Ich gebe dir irgendwann ein Signal, die Kamera abzulegen. In dem Augenblick muss der Cut kommen. Zurück auf die PCWA-Kameras. Du machst den Überraschten, während ich auf dich zukomme. Wir umarmen uns herzlich, fast wie Brüder. Emotionen bringen Klicks. Pose halten, so für vier-fünf Sekunden. Dann reckst du meinen Arm in die Luft. Währenddessen fadet mein Theme langsam aus."

      Vorbereitend nimmt Welkey eine stolze Pose ein. Gewährt sich einen ausufernden Moment in dieser Haltung, ehe er unvermittelt und kumpelhaft auf die breite Brust Vances schlägt. Der Aufnahmeleiter überbietet seinen Boss in Sachen Körperkult noch um einiges, trainierte Muskeln zeichnen sich unter seinem roten Shirt ab.

      Dean Welkey: "Ich sehe, du bist gut im Saft. Deswegen nimmst du mich dann auf die Schulter. Musik fängt nochmal von vorne an! Du bringt mich in Richtung der Seile und ich steige von deinen Schultern direkt aufs Top-Rope. Auch hiervon brauchen wir gute Bilder. Fotos und natürlich auch ein Video. Ich werde dort so dreißig Sekunden stehen und auf das Logo von Out of Ashes zeigen. Ein Magic Moment. Und dann..."

      Welkey schnappt sich erneut den Block, den Vance gerade vom Tisch wiedergeholt hatte und reißt eine Seite heraus. Er zerreißt sie in kleine Stückchen, wirft die Schnipsel in die Luft. Gemeinsam betrachten Dean und Vance, wie sie zu Boden segeln.

      Dean Welkey: "Konfetti von der Decke! Davon brauchen wir genug, denn in diesem Moment müssen die anderen Wrestler unbemerkt zum Ring gehen...ich meine kriechen...und sich aufstellen. Jeder entsprechend seiner Position. Sobald ich vom Top-Rope gestiegen bin, rolle ich aus dem Ring und
      laufe durch das Spalier, schaue kurz zu Breads oder Barker. Dann schnell weiter. Wenn ich halb durch bin, kommt mir Jona Vark entgegen. Für den Siegerkuss.

      Räuspern.

      Vance: "Das wird nicht gehen."

      Dean Welkey: "Warum nicht?"

      Vance: "Sie ist nicht da."

      Fassungslosigkeit in zwei Worten: Dean Welkey.

      Dean Welkey: "Was soll das heißen? Ich dachte, sie ist Präsidentin von diesem Laden."

      Vance: "Wegen irgendwas ist sie nicht da. Ganz sicher bin ich mir nicht, was da los ist."

      Dean Welkey: "Ich hatte dir doch gesagt, dass du die Shows gucken sollst! Soll das heißen, der Haufen ist ausgerechnet am Brawlin' Rumble führerlos?"

      Vance: "Ich weiß, dass Gabriel Lucifer sie vertritt."

      Der Aufnahmeleiter hat Glück. Welkeys Miene hellt sich auf. Er zuckt mit den Schultern. Whatever.

      Dean Welkey: "Dann eben der."

      Vance: "Siegerkuss? Von Lucifer?"

      Dean Welkey: "Mein Gott! Und wenn er beginnt, mir den Schwanz zu lutschen. Ich bin dann Sieger des Rumbles, Vance! Irgendwas muss er als Vertreter Liga wohl tun."

      Erschrockenheit im Gesicht des Aufnahmeleiters. Ansatz zum Stammeln.
      Dann befreiendes Lachen auf Seiten Welkeys.

      Dean Welkey: "Das war ein Witz. In dem Fall reicht natürlich auch ein ergebener Handschlag. Es geht einfach um die Symbolik des Augenblicks, das Händchen für Big Pictures. Also sieh' einfach nur zu, dass alles so läuft, wie wir es grad geplant haben. Mach nur deinen Job..."

      Welkey klopft Vance auf die Schulter. Best Practice Boss & Mitarbeiter-des-Monats-Style.

      Dean Welkey: "Meinen werde ich jedenfalls machen."

      Ohne weitere Verabschiedung verschwindet Welkey aus der Tür. Vance wirft einen letzten Blick auf das Ergebnis ihrer Arbeit.