Every Morning

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    • Every Morning

      Sie ist schon immer eine Frühaufsteherin. Das hat man ihr schon seit der Kindheit, noch lange vor Militär, eingebläut. Und sie ist froh darüber. Im Morgengrauen, wenn die Sonne sich noch hinter dem Horizont versteckt, da ist meist menschenleer, wo sie gerade ist.

      Der Luftwaffenbasis Ramstein ist recht gut für einen Stützpunkt ausgestattet, was die Freizeitaktivitäten anbelangt. So gibt es gleich ein großes Fitnesscenter, der natürlich für alle Militärangehörige kostenlos ist.

      Jane McAvoy tritt soeben durch den Eingang der Fitnesshalle. Es ist ruhig, niemand ist da, der Rezeption ist unbesetzt. Das stört sie aber kaum, denn sie hat ein Schlüssel zum Aufschließen. Als Major und, viel wichtiger, als Vertrauensperson hat sie gewisse Zugangsrechte. Sie läuft schnurtracks zu einem Abteil hinüber, der Schlüssel fällt klirrend ins Schloss und bestätigt den Lichtschalter. Denn die Morgensonne ist in dieser Stunde recht bescheiden – nur ihr Leuchten ist zu sehen. Die Hallenlichter erleuchten einen großen Raum mit vielen Sportgeräten, es wird klar, dass es sich um einen Abteil für Kraftsport handelt. Da verirren nur selten Frauen hierhin. Die meisten weiblichen Personen, die diesen Raum betreten, sind nicht mehr als Besucherinnen, die ihren Schwarm oder Freunde aufsuchen. In diesem Raum spürt man sogar recht deutlich die anti-feminine Atmosphäre, wenn einmal viele Jungs hier sich einfinden. Nicht so bei Jane McAvoy. Sie ist eine absolute Ausnahme.

      Jane McAvoy braucht sich nicht umzuziehen, denn sie hat soeben ihren Morgenlauf mit ein paar Meilen rund um AFB absolviert. Ihre Kleidung ist ungewöhnlich zivil: Kurzes, weißes Top mit Aufdruck, Hotpants und Sportschuhe. Nichts gegen ihre Militärbekleidung außerhalb Dienst, welche aus schwarzer Tanktop, Tarnhose und Kampfstiefeln besteht, aber die jetzige Kleidung verschafft ihr einfach mehr Bewegungsfreiheit. Sie schätzt, dass in etwa eine halbe Stunde die ersten Männer zum Trainieren kommen werden. Nicht dass sie davor abhauen will – sie bleibt immer gut eine Stunde im Fitnesscenter, wenn nicht länger. Aber sie ist ein Typ von Mensch, der ihre Ruhe liebt.

      Sie schnauft kurz und wirft ihre halb nasse Haare zurück, sie fängt nun an verschiedenen Geräten zu trainieren. Langsam und rhythmisch bringt sie ihre Muskeln an Leistungsgrenze. Endlos scheinen die Übungsblocke zu sein. Auch wenn im Moment ihre Muskeln die meiste Arbeit leisten, so macht sie sich viele Gedanken.

      ‚PCWA… ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll‘, sinniert sie nach, ‚eigentlich wollte ich nur Sport und Herausforderungen. Jetzt ist doch aber alles ein bisschen komplizierter geworden.‘

      Die Pilotin legt nun eine Zwischenpause ein und nimmt an einem Holzbank – den wir alle lieben und hassen gelernt haben – Platz. Ein Schluck aus der Wasserflasche vertreibt die Trockenheit im Hals und deckt den Bedarf nach Flüssigkeit ab.

      ‚Da sind nun also DEAL und die anderen Parteien… Religion of Death zum Beispiel. Und sie wollen mich anwerben.‘

      Dass es Leute im PCWA gibt, die sie schon beim Debüt gerne anwerben wollen, schmeichelt ihr schon ein wenig.

      ‚Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich eine Frau in so einem männerdominierenden Liga bin. Nicht dass ich damit Probleme hätte…‘

      Sie blickt auf ihre Armen herab. Sie sind wahrlich muskulös, sie braucht sich tatsächlich nicht vor Männer zu verstecken.

      ‚Auf jeden Fall ist es erst einmal recht interessant, wie es gerade läuft. Nichtsdestotrotz hasse ich Ränkespielchen und das Politisieren. Da sind immer unehrliche und hinterhältige Elemente mit dabei. Scheußlich.‘

      Die Airforce-Angehörige seufzt und richtet sich auf, um die nächste Runde zu beginnen. Diesmal tritt sie an einer Galerie heran, die verschiedene Gewichten beherbergt.

      ‚Ich bin vielleicht nicht der Intelligenteste – das gebe ich schon noch zu – aber dumm bin ich nicht. Ich muss einfach nur vorsichtig sein und schauen, wo ich solche Sachen vermeiden kann. Ich will eigentlich nicht in einem Strudel voller gegensätzliche Ansichten hineingezogen werden, aber es lässt wohl sich nicht mehr vermeiden.‘

      Die erste halbe Stunde ist abgelaufen und wie sie richtig vermutet hat, kommt nun der erste Mann durch die Tür. Da es allgemein bekannt ist, dass Jane McAvoy regelmäßig in aller Herrgottsfrühe hier zu finden ist, überrascht so dem Mann nicht. Trotzdem muss er anerkennend feststellen, wie kräftig Jane McAvoy gebaut ist.

      Jane McAvoy trainiert...

      Für seinen Geschmack ist sie zu maskulin, aber dass sie so viel Kraft aufbauen kann…
      Tatsächlich hat Janes Körper recht wenig mit einem Körper eines Bodybuilders zu tun – sie hasst sogar Bodybuilding, weil sie darin überhaupt keinen Sinn erkennen will. Stattdessen entspricht sie eher einem Körperstil eines Holzfällers. Statt einer Wespentaille hat sie eher ein fassförmiger Oberkörper und ihre Armen sind dick ohne filigrane Muskelkonturen. Aber ihr Fettgehalt ist dennoch unterdurchschnittlich. Sie hat ihre Muskeln auf purer Kraft statt auf Aussehen konditioniert. Daher wiegt sie auch gut 90 Kilo bei 1,85 Meter Höhe, obwohl ihre Masse nicht wirklich anzusehen ist, denn trotz aller ‚maskuline‘ Linien hat sie auch viele feminine Züge, wie etwa ihre Augen, lange Haare, geschmeidiges Rücken oder ihre Brüste. Zwar hätte sie eine Flachbrust lieber, aber sie ist auch sehr zufrieden mit knapp durchschnittlicher Körbchengröße, immerhin will sie noch als eine Frau erkannt werden.

      „Guten Morgen, Major!“, rufen die Männer, die nun nacheinander das Kraftprogramm beginnen, sie erwidert ebenso lautstark den Morgengruß. Zwar mögen viele Soldaten hier den Major, sie hat schon sogar einige kleine Dates gehabt. Aber niemand will so recht mit ihr etwas anfangen. Soweit sie feststellen kann, scheint sie den meisten Männer einfach zu wenig feminin. Dieser Punkt ärgert sie immer wieder.

      ‚Zu wenig feminin… das ist doch Schwachsinn. Nichts als blöde Klischeen. Wo steht es denn geschrieben, dass ich mit Barbie spielen muss und rosapinke Farben liebe? Wo steht es denn geschrieben, dass ich keine Muskeln haben darf? Teufel, ich habe sogar im Bio aufgepasst: In DNAs sind doch die Baupläne drin, die es bestimmen, wie ein Körper auszusehen ist. Wieso reden sie dann alle von Mannsweib, wenn auch im weiblichen DNAs solche Baupläne zum Muskelaufbau enthalten sind? Gut, ich werde nie so kräftig wie ein Mann, der wirklich kräftig ist, sein. Aber ich bin verdammt nochmal weit viel kräftiger als so ein durchschnittlicher Mann.‘, geht durch ihren Kopf.

      ‚Zu oft habe ich schon die verdammten Phrasen wie „Du bist nicht geeignet dafür.“, „Frauen sind in diesem Metier nicht empfohlen.“ oder „Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen.“, um darüber den Kopf zu zerbrechen. Und die Hohlköpfe merken selbst nicht mal, dass sie mich und Frauen auf der Welt damit beleidigen.‘

      Dennoch gibt es nicht nur negative Seiten. Es gibt auch gute. Sie erinnert sich daran, wie sie sich sehr darum bemüht hat, im AFB und auch außerhalb als eine respektierte Person aufgenommen wird – und mit Erfolg! Sie ist in dieser Basis äußerst beliebt und niemand von hier denkt auch nur ernsthaft daran, dass sie vielleicht nur durch den Einfluss ihres Vaters geschafft hätte.

      ‚Nur noch nicht beim PCWA.‘

      Nach einer weitere halbe Stunde ist ihr Trainingsprogramm beendet. Sie schwitzt an allen Stellen und schert nicht im Geringsten darum, wie sie jetzt aussieht. Außerdem schmerzen ihre Muskeln wegen Freisetzung der Milchsäuren, aber Jane fasst dies als positives Zeichen auf, denn so weiß sie, dass sie ihre Muskeln an die Grenzen getrieben hat. Jetzt braucht sie nur noch Pause, damit die Muskeln sich neu aufbauen können. Sie erwidert einen High-Five bei einem Mann, der regelmäßig bei Jane vorbeischaut, weil er ihr Mechaniker ist. Als sie die Tür zur Umkleide – der tatsächlich keine Umkleidekabinen enthält, weder für Männer noch für Frauen, sondern lediglich ein paar Blechschränke und eine Gemeinschaftdusche sowohl für Männer als auch für Frauen – eintritt, spürt sie verstohlene Blicke auf ihren doch recht feminine Hintern. Sie lächelt dabei.
    • Ihre Gedanken kreisen im Kopf wie die ferngesteuerten Drohnen herum. In der Sporthalle um dieser Uhrzeit zu sein, hat etwas sehr Beruhigendes für Jane McAvoy. Wie jeden Tag hat sie heute ein paar Meilen gejoggt, nachdem sie aus dem Bett gestiegen ist. Und jetzt verbringt sie im Fitnesscenter, um ihren Körper zu stählen. Diese Regelmäßigkeit, diese Ordnung, das hat etwas Entspannendes an sich. Jane ist zwar kein penibler Mensch, sie ist sogar recht flexibel. Aber Chaos mag sie nicht. Und Chaos herrscht gerade im PCWA, nicht nur innerhalb der brüchigen DEAL.
      Da ist eine Sporthalle auf dem Airforce-Basis Ramstein ein idealer Rückzugsort. Da sie nicht ruhig sitzen kann, muss sie immer in der Bewegung bleiben. Also absolviert sie ihr Programm im Krafttraining. Da um dieser Uhrzeit niemand sonst im großen Raum aufhält, kann sie ihre Blicke nach innen richten und ihren weitschweifigen Gedanken nachgehen. Es ist bereits eine halbe Stunde vergangen seit ihrem Beginn.

      DEAL ist sicher nicht das beste Mittel, den ich nutzen will. Aber immer noch die beste Möglichkeit innerhalb PCWA… Die Entscheidung, die ich getroffen habe – die bereue ich nicht. Auch wenn vielleicht Gabriel Lucifer im Imperial Impact gewinnt. Dann werde ich mich eben dagegen wehren, so wie ich schon im ganzen Leben bisher tue.

      Jane McAvoy lässt ihre Muskeln spielen...

      Sie seufzt und legt ein paar Gewichte ab und mustert andere Gewichte. Sie ist groß, stark und durchaus auch ansehnlich. Und trotzdem versucht sie immer, nie als Angeberin zu erscheinen, was manchmal nicht einfach ist. Denn ihr Aussehen schüchtert viele Menschen außerhalb der Armee schon ein.

      Die Frage ist nun, wie stelle ich mich in den Fokus? Wie begegne ich die Bedrohung, die von Gabriel Lucifer? Teufel, warum habe ich überhaupt den Fehler gemacht, mein Maul aufzureißen und zu behaupten, ich hätte Lucifer schon durchgeschaut?

      Sie schüttelt ihre Gedanken ab und bemerkt, dass inzwischen bereits die ersten Männer im Sportraum eingefunden haben. Sie salutiert lässig mit einem lautstarken „Guten Morgen!“, woraufhin jeder zurückgrüßt. Sie wechselt nun von Gewichtheben zu Dehnübungen, um strapazierten Muskeln aufzulockern.

      So langsam komme ich zum Schluss, dass ich das Ganze um DEAL nicht an einer großen Glocke anhängen soll, was die Gedanken betrifft. Das macht mich sonst noch irre. Ich schau‘ einfach zu, wie es sich entwickelt. Auf welcher Seite ich stehe, ist ebenso klar. Ich tue immer was für die Guten, auch wenn das man mir bestimmt nicht oft abnehmen würde…

      Plötzlich erscheint ein recht junger Soldat in ihrem Blickfeld. Jane kennt ihn nicht, aber der junge Mann grüßt sie zackig mit einem Salut, woraufhin Jane einfach nur zunickt.

      „Ma’am, ich bin Private McDormid, ich bin erst vor ein paar Wochen hierhin verlegt worden.“

      „Nun, Private, es freut mich Sie kennen zu lernen. Herzlich willkommen und was kann ich für Sie tun?“

      „Ma’am, ich möchte Sie zu einem Armdrücken herausfordern!“

      Jane McAvoy bildet sich ein, sich nur verhört zu haben und fragt erstaunt nach.

      „Ma’am, ich möchte Sie tatsächlich herausfordern!“

      Der weibliche Major lacht kurz auf und schüttelt ihr Kopf.

      „Private, nein danke. Ich bin ganz gewiss nicht in Ihrem Niveau, was die Kräftemessen anbelangt.“

      Der junge Mann hat einen überdurchschnittlich trainierten Körper, man sieht seinen Bizeps recht gut an. Klar, er ist keinem Schwarzenegger, er ist auch nicht besonders groß. Aber er hat genug Muskeln, um jede Frau einfacher rumzukriegen.

      Offenbar will er dies bei mir anprobieren. Da beißt er bei mir aber die Zähne aus.

      „Ma’am, sind Sie sicher? Man sagt Ihnen nach, dass Sie die legendäre Pilotin sei und ein ausgezeichneter Major. Und Sie würden Herausforderungen lieben. Wollen Sie jetzt sich vor einem Neuling sich drücken? Sind Sie so sicher, dass Sie diese Herausforderung verlieren würden?“

      Das hat gesessen. McAvoy richtet sich zu voller Größe aus und überragt den Mann um ein paar Zentimeter. Inzwischen gucken alle Militärangehörigen höchst interessiert das Schauspiel zu.

      „Private. Ich bin ein Major, ich könnte Sie also befehlen, dies zu unterlassen.“

      „Aber Sie würden es nicht tun, Major McAvoy. Sie sind zu stolz, zu ehrenhaft, zu vernünftig. Mir ist nicht entgangen, dass so gut wie jeder Sie mag. Viele würden sogar für Sie sein Leben hingeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet Sie einem jungen Private eine kleine, nette Herausforderung ausschlagen.“

      Verdammt, dieser McDormid nicht auf den Kopf gefallen. Er hat wirklich Mut, laut zu sagen, wer ich bin.

      „Fürchten Sie sich etwa, dass Sie in Augen vieler Soldaten… enttäuschen?“

      Das lasse ich mich aber nicht gefallen!

      „Private, so können Sie mir nicht kommen! Die Herausforderung nehme ich an!“

      Ein Raunen geht durch die Zuschauern, die ein geschlossener Ring um die beiden Personen gebildet haben. Zwei Soldaten schaffen ein Tisch und zwei Stühlen heran, Jane und McDormid setzen sich gegenüber.

      „Major, nur damit Sie wissen: ich werde nicht aus Höflichkeit gegenüber Frauen nur halbe Kraft einsetzen. Sondern mit volle Pulle!“

      „Private, das ist mir ganz recht!“

      Die außenstehenden Soldaten und Piloten rücken sich enger, keiner will diesem Spektakel entgehen. Jane und McDormid fassen jeweils an die rechte Hand fest. Jemand ruft.

      „Bereit? Drei… zwei… eins…UND LOS!“

      Der junge Pilot drückt sofort mit aller Macht dagegen und Jane McAvoy muss diese Kraft langsam, aber sicher nachgeben.

      Verdammt, scheiß auf Private, ich bin Major! Ich muss das Vorbild sein!

      Jetzt wehrt McAvoy und kann tatsächlich der unheimliche Druck auf ihre Hand standhalten. Einige johlen leise, aber die meisten schauen völlig gebannt auf die Kräftemessen. McAvoys rechter Armmuskeln treten hervor und das jahrelange, unnachgiebige Krafttraining zahlt sich aus. Die Bizeps scheinen irgendwie unnormal groß für eine Frau zu sein, aber für McAvoy ist das völlig recht. Zähnefletschend arbeitet sie Zentimeter für Zentimeter mit der Hand wieder in die neutrale Mitte. Der junge Mann stöhnt, behält aber sein stoisches Gesichtsausdruck. Dann sammelt er all die Kräfte, die er noch hat und setzt sie auch voll ein. Wieder einmal nähert McAvoys Handrücken die Tischplatte.

      MANN! Reiß dich einen Scheiß zusammen! Du kannst es, DU KANNST ES VERFICKT NOCHMAL!

      Sie verzichtet darauf, das Gesicht zu wahren, stattdessen zieht sie Grimassen, zeigt fletschende Zähne, Halsadern treten gefährlich vor und schließt vor Anstrengung die Augen. Und deshalb kriegt sie auch nicht mit, dass der Private tatsächlich nahe am Ende seiner Kräfte ist. Er hat alles, wirklich alles mobilisiert, was er noch an Reserven hat. Seine Armmuskeln zittern vor Erschöpfung, doch er will nicht aufgeben. Er drückt Janes Hand weiter nach unten. Der Tisch kommt bedrohlich näher…

      Ich… schaffe… es… nicht… mehr!

      Plötzlich zuckt ein anderer Gedanke durch ihren Kopf.

      Warum jetzt aufhören? Du hast schon viel Schlimmeres und Brutaleres als das erlebt. Das hier ist schon fast lächerlich. Vergiss die Kinderkacke und zieh‘ einfach durch.

      Ich bin Jane McAvoy! Für immer!

      Entgegen aller Vernunft und Wahrscheinlichkeit rafft Jane McAvoy sich noch einmal auf und drückt mit noch größerer Kraft McDormids Hand entgegen. Mehr braucht sie auch nicht mehr, denn McDormids Kräfte sind am Ende, er kann es nicht mehr entgegenhalten. Nur ein schwacher Versuch, aber Jane drückt entschlossen und sicher seine Hand in die andere Richtung und sein Handrücken berührt den Tisch.

      Eine Stille breitet sich aus. Niemand wagt auch nur ein Atemgeräusch zu machen.

      „Verdammt. Sie sind die beste Frau Major, die ich jemals habe! Scheiß auf alte Offiziere, die meinen, dass Frauen zu nichts taugen!“

      Dann bricht der Jubel aus. McDormid lächelt. Jane erwidert das Lächeln und schüttelt Mannes Hand.

      „Ganz ehrlich: Ich hätte nie erwartet, dass Sie so eine gewaltige Kraft besitzen, Major. Ich werde definitiv nie wieder mit Ihnen anlegen!“

      Darauf folgt ein erlösendes Gelächter in dieser Runde.

      „Meine Herren. Ich hoffe, dieser kleinen Show hat es euch gefallen. Wenn ihr einen großen Show sehen wollt… dann empfehle ich euch den Sender Aliera TV einzuschalten und nach PCWA Ausschau zu halten.“

      In diesem Moment fällt es ihr ein, dass Imperial Impact bevorsteht und heute die genauere Informationen darüber erscheinen soll.

      „Demnächst steht ein großer PPV ‚Imperial Impact‘ an und da werde ich mit Sicherheit zu sehen sein.“

      Sie steht auf und nickt McDormid als Zeichen des Respekts zu. Sie pickt noch ihre Wasserflasche von einer Holzbank und macht sich auf dem Weg zur Umkleide und entschwindet so aus den zahlreichen Blicken der Männer…
    • Zu dieser Stunde ist die Fitnesshalle wieder einmal von Männern bevölkert. Aber ausschließlich nur Männer, denn Jane McAvoy ist nirgendwo zu sehen.
      Plötzlich wird eine Tür aufgeschlagen und ein junger Adjutant in der Tarnuniform erscheint mit schwerem Atem – klares Anzeichen dafür, dass er über die halbe AFB gerannt sein muss. Vor ein paar Jahre hätte er bequem mit einem Jeep hierhin fahren können, aber heute nicht mehr. Stetig steigende Treibstoffpreise und ebenfalls stetig sinkende Budgets für Basen der Airforce verhindern dies.
      Ein stiernackiger Typ mit freiem Oberkörper, der gerade eine Maschine bearbeitet, dreht sich zum Adjutant um. Dieser schnauft einmal durch und sagt ein einziges Wort – ein Name.



      Adjutant: „McAvoy?“

      Der Muskelmann deutet mit dem Daumen auf die Tür zur Umkleide. Sofort eilt der Bote zur besagte Tür und tritt ohne zu überlegen in den nächsten Raum…

      … und wird mit einer unangenehme Tatsache, dass eine splitternackte Frau vor ihm steht, konfrontiert.
      Der AFB Ramstein wurde zu einer Zeit errichtet, als Soldatinnen und Pilotinnen an der Front noch keine Bedeutung hatten – es gab sie schlichtweg nicht. Dementsprechend enthält diese Sporthalle einfach nur ein Umkleideraum mit Gemeinschaftsduschen ohne irgendwelche Privatsphären. Tritt man also von der Fitnesshalle in diesem Raum ein, ist auf der rechte Seite eine lange Reihe von Lockers und auf der linke Seite ebenfalls eine Reihe von Duschköpfe und Wasserhähne. In der Mitte sind die Holzbänke aufgestellt. Lediglich die Toilette am anderen Ende neben den zweiten Ausgang hat eine Tür. Dieser Manko ist bis heute nicht behoben und so wie Jane es gehört hat, wird wohl auch in der Zukunft nichts daran ändern. Nicht, dass ein großes Problem für sie darstellt. Sicher, als sie eine Pilotenkarriere eingeschlagen hat, ist es ihr häufiger unangenehm gewesen. Jetzt macht es ihr überhaupt nichts mehr aus, mit Männer zu duschen. Ihrer Meinung nach würde es nichts an ihrer Autorität ändern, denn ihr Ruf ist vorzüglich und Respekt groß. So hat es sich eingerichtet, dass die Männer darauf achten, wann Jane McAvoy duscht und so weicht Jane im Gegenzug den typischen Duschzeiten aus. Nichtsdestotrotz gibt es Gelegenheiten, wo Jane mit Männern gemeinsam in der Umkleide befindet. Natürlich ist die Situation ziemlich unangenehm, dennoch sind sie irgendwie einander ausgekommen. Sicher, es gibt nicht besonders ehrenhafte Gedanken von einigen Männern hinsichtlich Jane als Frau. Aber angesichts ihren Ruf, ihren enormen Selbstbewusstsein, ihren großen Kampfeswillen und auch natürlich die Konsequenzen, die extrem empfindlich auf deren Karrieren auswirken können, ist es noch nie ein Zwischenfall ereignet.
      Als der Adjutant eingetreten ist, ist McAvoy gerade dabei, ihre langen, schwarzen Haare zu waschen. Da sie mit dem Rücken zum Mann steht, bemerkt sie bei laufender Dusche ihn zunächst gar nicht. Der junge Mann hingegen hat die exzellente - und wahrscheinlich eine einzigartige Gelegenheit – Janes Körper zu bewundern. Aufgrund ihren kleinen, aber knackigen Hintern, breite Schultern und einer stramme Taille hat sie kaum Modelmaße, dennoch würde man sie nicht automatisch hässlich, sondern eher ansehnlich bezeichnen, denn sie hat einen extrem kräftigen Muskulatur mit viele femininen Zügen vereinbaren können, ohne gleich wie eine Bodybuilderin oder einer Gewichtsheberin auszusehen. Eher eine gelungene Mischung von beiden Körpertypen.
      Der junge Mann schüttelt seine Gedanken ab und strafft sich zu einem Salut zusammen.



      Adjutant: „Major, General Briggs erwartet Sie sofort in seinem Büro!“

      Nicht sonderlich überrascht dreht sie zu Bedauern des Adjutantes nur ihren Kopf zu ihm.


      Jane McAvoy: „Danke, Sergeant. Ich werde gleich nachkommen.“

      Er räuspert.


      Adjutant: „Ma’am… der General hat ‚sofort‘ besonders ausdrücklich betont. Ich soll Sie abholen…“

      Sie dreht sich vollends um und verdeckt mit Armen die Busen und Schambereich, mehr aus Rücksicht auf den Adjutanten als denn ihr eigenes Schamgefühl.


      Jane McAvoy: „Soll ich etwa so zu ihm gehen?“

      Der Adjutant will zu einer Antwort ansetzen, aber Jane lächelt und schüttelt ihr Kopf.


      Jane McAvoy: „Ist gut, Sergeant. Drehen Sie sich einfach um.“

      Er befolgt ihren Befehl, während McAvoy blitzschnell ihre Klamotten anzieht. Jane klopft beim Vorbeilaufen auf den Schulter des Adjutanten.


      Beide verlassen zügig die Sporthalle, wobei Adjutanten sein Blick gesenkt hält, als er die grinsenden Männer bemerkt. Jane und der Adjutant joggen sogleich zum Hauptquartier der AFB.

      ***


      General Briggs: „… wenn ich also Sie noch einmal erwische, wie Sie bei einer läppischen Übungsmission versagen, Sie unfähiger Polyp, dann trete ich Ihnen in Ihren verdammten Zuckerarsch so fest, dass Sie von hier aus an Ihrem Mamas Haustür heulend und winselnd landen! Verstanden, Sergeant?!“

      Ein Faust knallt auf einem Tisch.


      General Briggs: „Die US Airforce hört Sie nicht!“

      Jemand: „Sir, verstanden, Sir!“

      General Briggs: „Abtreten, nutzloser Pack!“

      Jane und der Adjutant stehen bereits vor der Tür des Generals der Luftwaffenstützpunkt. Gedanklich kann sie nur Kopf schütteln. Zwar ist General Briggs durchaus ein tüchtiger Mann und hält den AFB absolut im Schuss, obwohl vorne und hinten Mittel fehlt. Allerdings hat er nach ihrer Meinung nach zwei Mankos. Der eine ist sein tollwutartiges Verhalten, wenn es einmal nicht nach seinem Plan läuft. Und der zweite Manko, der regelmäßig bei Jane unangenehme Bauchschmerzen verursacht, ist dass er unglaublich erzkonservativ ist. Und das trifft Jane McAvoy zugegebenermaßen ziemlich hart. natürlich haben Briggs nicht im entferntesten Traum gedacht, Jane McAvoy hierhin zu verlegen. Das hat der Airforce Command getan. Und so lässt Briggs seinen Unwillen über sie kaum verhohlen spüren.
      Die Tür öffnet sich, und ein Pilot erscheint. Er würde jetzt ins Erdboden versinken, als er Jane McAvoy erkennt. Sie muss sich zusammenreißen und nicht einfach ihn trösten und auf den Schulter klopfen. So behält sie ihre stoische Miene, als der Adjutant, sichtlich nervös, in den Raum eintritt und dem General Jane McAvoy ankündigt. Sie hört durch die offene Tür nur ein undefiniertes Brummen und tritt ebenfalls in den Raum.
      Briggs sitzt an einem gewaltigen Schreibtisch aus getäfeltem Holz und ficht mit größtem Unwillen den Papierkrieg aus. Sein schon finsteres Bulldoggegesicht nimmt eine säuerliche Miene an, als er Jane McAvoy in lasch angezogene Tarnhose, bereits nasse Tanktop (Gott sei Dank besteht dieser aus festen, schwarzen Material), Sportschuhe und völlig ungebundene, spritznasse Haare mustert. Jane hat ihren muskelbepackten Armen hinter ihrem Rücken verschränkt.



      General Briggs: „Um Himmels Willen, wie sehen Sie denn aus? Was ist denn verdammt nochmal mit dem ordnungsgemäßen Erscheinen passiert? Wir sind wohl nicht mehr in der US Airforce, sondern in einem Scheißverein mit Hippies und Kiffern, oder wie?!“

      Jane McAvoy: „Sir, ich war gerade beim Duschen, Sir!“

      General Briggs: „Verdammt, ihr Frauen brauchen auch immer so lange!“

      ‚Das ist jetzt mal aber total unwahr. Ich dusche kaum länger als die Jungs, und auch nur wegen meine lange Haaren. Verdammt, ich habe nicht mal die Mühe gemacht, Unterwäsche anzuziehen!‘, geht durch Janes Kopf.
      General Briggs winkt unwirsch ab, bevor Jane was erwidern kann. Er macht außerdem eine wegwerfende Geste in Richtung des Adjutanten. Der Angesprochene verlässt den Raum und schließt die Tür hinter sich.


      General Briggs: „Ich habe zwei Sachen. Ein Problem und eine Neuigkeit.“

      Er nickt Jane zu einem Stuhl gegenüber zu. Was für eine Rarität an Höflichkeiten! Jane verzichtet darauf, lieber zu stehen und nimmt stattdessen Platz. Sie will Briggs nicht weiter gegen sich aufbringen.


      Briggs: „Wie kommen Sie auf die bescheuerte Idee, eine weitere Tätigkeit außerhalb der Air Force zu unternehmen?! Sie können nicht gleichzeitig Ausbilderin, Beraterin und ein… verdammter Wrestler sein! Teufel, können Sie wenigstens nicht eine zu Ihr passende Tätigkeit finden? Wrestling ist nichts für Frauen und daran wird sich auch nie ändern, verdammt nochmal!“

      Jane McAvoy: „Sir, der Air Force Personal Department hat seine Einverständnis mir gegeben. Was meinen Sie mit ‚passende Tätigkeit‘, Sir?“

      Briggs: „Was weiß ich?! Balletttänzerin oder Köchin oder so was! So, so, der feine Air Force Personal Department hält sich nicht für nötig, mich wieder einmal darüber zu informieren? Scheiße, dieser Verein von erbärmlichen Sesselfurzer hat sich nicht mal für nötig gehalten, mich zu informieren, dass da eine Frau mir untergestellt wird!“

      Jane McAvoy: „Sir, die Einverständnis für eine bezahlte Tätigkeit außerhalb der US Airforce wurde bereits vor einige Wochen abgelegt, Sir.“

      Briggs: „So? Dann schaue ich mal gleich nach, ob dieses Stück Papier in deiner Personalakte ist.“


      Er steht ächzend auf und reißt einen Aktenschrank fast auf und durchstöbert ein paar Personalakten, bis er die passende findet. Schließlich klatscht herablassend die Akte auf den Schreibtisch. Auf der vorderste Seite ist ein Profilfoto von Jane McAvoy zu sehen und einige Personaldaten.
      Der General setzt sich wieder, brummt vor sich hin und blättert die Akte durch.


      Briggs: „Sie haben einmal Recht.“

      ‚Natürlich habe ich Recht.‘, geht durch Janes Kopf. Sie weiß auch, dass Briggs äußerst ungern ihre Akte bearbeitet und am liebsten die Dokumente auf die äußerst lange Bank schiebt. Diesmal hat sich der Spieß umgedreht. Er mustert das entsprechende Dokument mit einem Gesichtsausdruck, als ob dieses Stück Papier ein Hexenwerk ist und nur Übles enthält.


      Briggs: „Scheint so, gegen diesen Schwachsinn kann ich nichts unternehmen.“


      ‚Schwachsinn namens PCWA? Wohl kaum, denn dieser Liga stählt mich körperlich und mental‘, sinniert sie in diesem Augenblick.


      Briggs: „Aber ich habe eine Neuigkeit für Sie. Ein Brief von Air Force Command, junge Dame.“

      Die "junge Dame" spricht er in einem herablassenden Ton. Er grinst boshaft bei den Gedanken, dass der Command wahrscheinlich die Entscheidung von Personal Department revidiert und Disziplinarmaßnahmen gegen Jane vornimmt. Er pfeffert leicht den besagten Brief über den Schreibtisch, sodass Jane ihn auffangen muss, bevor er von der Tischkante runterfällt. Zufrieden stellt der General fest, dass Jane sichtlich nervöser wird. Briefe von Airforce Command verheißen nichts Gutes, denn AFC ist die höchste Stelle innerhalb der Luftstreitkräfte der USA. Sie mustert das Kuvert. Darauf ist ein typischer USAF-Symbol und „Classified, only for Major Jane McAvoy“ zu sehen. Entschlossen reißt sie den Umschlag auf und entnimmt ein Dokument. Der General grinst immer noch in Erwartung einer schlechten Nachricht für sie. Doch auf einmal verändert Janes Gesichtsausdruck, sie erstarrt regelrecht für einen Moment. Schließlich blickt sie recht freundlich zu Briggs hinüber. Dann steht sie mit dem Papier auf und salutiert feierlich.


      Jane McAvoy: „Ich danke Ihnen vielmals für den Botschaft, den Sie mir so unverzüglich überlassen haben.“

      Völlig verblüfft starrt der General den Major an und sagt auch keinen Ton mehr, als Jane McAvoy mit einem „Sir, ich melde mich ab, Sir!“ sich verabschiedet und den Raum verlässt.
      Als Jane die Hauptquartier verlässt, ist sie nur noch bei ihren Gedanken um dieses Dokument, das ihren Leben entscheidend ändern würde.

      ‚Muss ich PCWA Lebewohl sagen?‘, fragt Jane sich selbst. Und die Antwort darauf ist so eindeutig wie es nur sein kann.

      Schließlich kommen ihre Gedanken schlussendlich zu einem einzigen Wort, der bei jeden Pilot der USA ins Hirn eingebrannt ist.

      Dreamland.

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