Dalmi & Bleed - Fallout

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    • Dalmi & Bleed - Fallout

      Im Original von SVC

      Mit einem Poltern, das durch den gesamten Gang hallt, kippen die sorgsam zusammengestellten Tische und Stühle nach allen Seiten um. Während er durch den aus vergessenem Hausrat bestehenden Hindernisparkour stolpert und taumelt, spürt er wie sich sein Magen wieder zusammenzieht. Er hat schon längst alles ausgekotzt. Es befindet sich nichts mehr in seinem Magen. Vielleicht waren also jetzt die Organe selbst dran. Er hätte es verdient. Das und noch viel, viel Schlimmeres.

      Ein unbedachter Schritt beim Durchqueren der ungenutzten Bestuhlung lässt ihn nach vorne fallen. Er könnte den Aufprall mit seinen Händen abfangen, doch seine Arme haben sich um die aufgezogene Spritze gelegt, die er wie einen Säugling schützend an seine Brust presst. Sie durfte er nicht verlieren. Nicht jetzt, nicht nachdem er dieses unaussprechliche Verbrechen begangen hat. AstroHappy ist sein Rettungsanker. AstroHappy bedeutet Beruhigung. AstroHappy bedeutet Vergessen. AstroHappy bedeutet Glück. Es steht sogar im Namen.

      Er macht sich nicht die Mühe wieder aufzustehen. Kniet auf dem staubigen Grund, prügelt wie besessen auf seine rechte Armbeuge ein und sucht nach einem geeigneten Einstichpunkt. Dann versucht er die Nadel anzusetzen, versucht, das heftige Zittern seiner Hand unter Kontrolle zu bringen. Seine Finger verkrampfen sich. Zunehmendes Stimmengestöber aus dem Hintergrund. Schnelle, herannahende Schritte. Er schreckt auf. Die Spritze gleitet aus seiner Hand, rollt auf dem Boden davon, hinein in das undurchsichtige Chaos des Mobiliars, das er verursacht hat.

      „Da! Da hinten ist der Kerl.“

      „Hier spricht die Polizei. Keine Bewegung!“

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      Der Mann, welcher Kriss Dalmi gegenübersitzt, rückt das Tischmikrofon zu sich heran, lässt ein kurzes Räuspern von sich hören wirft daraufhin einen fragenden Blick zu seinem Kollegen. Dieser versichert ihm mit einem knappen Nicken, dass das elektronische Sprechgerät bereits aufnimmt. Die grau-blauen Augen hinter der altmodischen Brille fixieren den Serben, dessen leerer Blick hingegen auf dem lasierten Buchenholz der Tischplatte ruht. Auffällig laut schlägt der Herr, der in in wenigen Jahren wohl die 50 ankratzen wird, die Akte vor sich auf, um die Aufmerksamkeit seines Gegenübers damit zu erregen.

      Vergeblich. Einmal mehr räuspert sich der Ermittler, diesmal etwas lauter. Dann beginnt er zu sprechen.

      Ermittler: „Herr Dalmi, bevor wir mit der Vernehmung beginnen werden, bin ich zuallererst verpflichtet, Sie im Vorfeld über einige Dinge zu informieren.“

      Keine Reaktion.

      Ermittler: „Haben Sie mich verstanden, Herr Dalmi?“

      Wieder keine Antwort.

      „Das haben Sie bestimmt.“, murmelt der Polizist in sich hinein und fährt dann damit fort, jene Sätze zu rezitieren, die er immer rezitiert, wenn er in diesem Raum sitzt.

      Ermittler: „Herr Dalmi, Ihnen wird laut § 177, Absatz 2 des StGB der Strafbestand der Vergewaltigung an Frau Amiya Jenelle zur Last gelegt. Das Delikt, dessen Sie beschuldigt werden, hat sich am 29.06.2014, um 23.41 Uhr im Keller des PCWA Theatres, hier in Berlin ereignet.“

      Er unterbricht sich selbst und wirft dem Beschuldigten einen ausdruckslosen Blick zu, der aber nicht erwidert wird. Ob er zuhört, ob er überhaupt irgendetwas wahrnimmt, lässt sich nicht sagen.

      Ermittler: „Weiterhin haben Sie vor und auch während der Vernehmung das Recht, die Aussage zu verweigern. Zu keinen der Fragen, die ich Ihnen gleich stellen werde, müssen Sie sich äußern. Sind Sie sich dessen im Klaren?“

      Kriss Dalmi: „Wie ironisch...“

      Seltsam teilnahmslos kommen diese Worte über die Lippen des Serben, der nach wie vor den Tisch anglotzt und sich auch weiterhin nicht rühren will. Der Polizist kräuselt die Stirn, erschafft so ein Vielfaches mehr an Falten, die sein welk werdendes Antlitz ohnehin schon zur Schau stellt. Immerhin: Seine Aufmerksamkeit scheint er nun zu haben...

      Ermittler: „Des Weiteren dürfen Sie zu jederzeit in dieser Befragung einen selbstgewählten Verteidiger konsultieren. Möchten Sie von diesem Recht Gebrauch machen“

      Kriss Dalmi: „...“

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      Und auch Bleed würde wenig später nur ein ausdrucksloses Kopfschütteln hervorbringen.
      Optisch wirkt sie gefasst, die Wunden sind nicht erkennbar. Und die inneren sind verdeckt. Vergraben im Durchhalte-Modus, den sie sich über Jahre hinweg antrainiert hat.

      Ermittler: „Also nein.“

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      Ein genervtes Seufzen in Richtung von Kriss Dalmi. Dann fährt er mit den Belehrungen fort.

      Ermittler: „Darüber hinaus steht es Ihnen frei, einzelne Beweiserhebungen zur Entlastung ihrer Schuld beim Landgericht Berlin zu beantragen. Falls Sie sich entschließen sollten, Ihre Aussage nicht zu verweigern, verpflichten Sie sich, jede meiner Fragen unter Eid wahrheitsgemäß zu beantworten. Haben Sie dazu oder zu den anderen Punkten noch Fragen?“

      Keine Fragen. So wie die Minuten davor auch.

      Ermittler: „Das habe ich mir gedacht. Gut.“

      Der Polizist fischt aus der Ausbeulung seiner Hemdbrusttasche eine Zigarette hervor, steckt sich diese in den Mund, rückt den grünen Glasaschenbecher zu sich heran und entzündet sich den Glimmstängel. Das Inhalieren zieht ein dezentes Knistern nach sich und Rauchfäden bahnen sich im warmweißen Licht der Deckenbeleuchtung ihren Weg nach oben. Er lächelt leidlich.

      Ermittler: „Also. In Ihrem, in meinem und dem Interesse Ihres Arbeitgebers, sollten wir diese Vernehmung so schnell und so leise wie möglich hinter uns bringen. Ohnehin spricht die momentane Beweislage nicht gerade für Ihre Unschuld. Ich werde Sie darum direkt fragen, um das Ganze abzukürzen: Bekennen Sie sich schuldig, Frau Amiya Jenelle am besagten Datum, zu besagter Zeit und am besagten Ort vergewaltigt zu haben?“

      Wie absurd diese Frage klingt. Das tut Sie immer. Egal, um welchen Beschuldigten es sich handelt. Und immer wieder ruft sie eine Reaktion hervor. So auch jetzt. Denn zum ersten Mal, in dieser Befragung hebt Kriss Dalmi den Kopf und schaut den Polizisten an.

      Kriss Dalmi: „Ich habe sie nicht vergewaltigt.“

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      Bleed: „Er hat mich nicht vergewaltigt.“

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      Die buschige, graue Augenbraue des Ermittlers hebt sich. Für den Bruchteil einer Sekunde formt sein rechter Mundwinkel ein flüchtiges Schmunzeln.

      Ermittler: „Diese Aussage überrascht mich. Ihnen ist doch sicherlich bewusst, dass die Ihnen zur Last gelegte Tat auf sämtlichen Fernsehern, auf denen zu diesem Zeitpunkt Aliera TV lief, zu hören war, oder? Soll ich Ihr Gedächtnis auffrischen? Zitat 'Mach deine verdammten Beine auseinander oder ich schwöre dir, ich bringe dich hier und jetzt um, Bleed!' Erklären Sie mir, wie man diese Aussage missverstehen kann! Erklären Sie mir, wie man die Geräuschkulisse dieses Videos, das Stöhnen, die Schreie und das Heulen anders deuten soll, besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass Sie Frau Amiya Jenelle kurz davor tätlich angegriffen haben! Wie passt das zusammen?“

      Der gealterte Polizist winkt vor den Augen des Serben aber dieser scheint durch ihn hindurchzusehen. Sekunden des Schweigens vergehen.

      Kriss Dalmi: „Vielleicht stellst du diese Fragen mal den Kollegen aus dem KitKatClub!“

      Der Mann am anderen Ende des Tisches lacht laut auf, wobei ihm seine Zigarette aus dem Mund fällt. Schnell hebt er sie wieder auf, bevor sie unansehnliche Brandflecken auf dem Tisch hinterlassen kann. Und so schnell wie das Amüsement kam, so schnell kehrt auch die professionelle Skepsis in die Miene des Fragenstellers zurück.

      Ermittler: „Was denn? Sie wollen mir hier jetzt ernsthaft erzählen, dass der Sex einvernehmlich war!? Dass das so eine kranke Sadomaso-Nummer war?!“

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      Sie schaut den Ermittler an, als hätte sie die Frage nicht verstanden. Sie zwingt sich, ihre zuckenden Lippen unter Kontrolle zu halten. Ihr innerer Hass unterliegt in einem beispiellosen Fight der Vernunft des Ganzen.

      Bleed: „Haben Sie noch nie Ihre Frau zu Hause angefeuert, damit sie Ihren verdammten Arsch versohlen soll?

      Ermittler: „Es geht hier nicht um mich. Es geht um Sie. Es gibt keinen Grund, den Mann zu schützen. Und wenn Sie Angst haben sollten, dass..“

      Bleed schlägt brutal und lautstark mit der rechten Hand auf den Tisch.
      Es ist ein kleiner Sieg des Hasses, der Wut in Amiya Jenelle. Doch die Schlacht gewinnt Bleed, das Wesen, zu dem sie vor langer Zeit geworden ist.

      Bleed: „Sehe ich so aus, als würde ich vor IRGENDETWAS Angst haben? Wir haben gefickt. Uns reingesteigert. Uns geschlagen und mit Worten verwüstet. Es war nur.. Rollenspiel. Und es gibt keine Strafe für angeblich schlechten Geschmack.. right?“

      Der Ermittler schaut entgeistert drein.
      ‚Einvernehmlich’.. Sure..

      Er muss Rücksprache mit seinem Vorgesetzten halten, bevor die Armee vom Legal Team der PCWA hier reinwalzt und alles platt macht..

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      Es gab mit Sicherheit schon deutlich angenehmere Tage für Madeleine Grimm aus der PCWA-Personalabteilung und Vertrauensperson von Jona Vark persönlich.
      Zumindest stand das im Keim ersticken eines Publicity-Fiaskos bisher nicht in ihrer Jobbeschreibung. Die PCWA-Chefin schätzte Madeleine vor allem wegen ihrer distanzierten, sachlichen Art, die Dinge zu handlen. Und genau deshalb hatte sie ihr auch die Aufgabe gegeben, den Eklat um Bleed und Dalmi zu entschärfen, welchen Jona wutentbrannt - und mit Fäusten auf ihren Schreibtisch hämmernd - als "beschissenes No Go" bezeichnet hatte.

      Und so ist Madeleine Grimm auch in diesem kalten Raum der lokalen Polizeidienststelle die Ruhe selbst. Sie befindet sich im Handle-Mode, funktionierte wie ein Uhrwerk, hat fein säuberlich ihre Papiere ausgebreitet und an den Kanten des klinisch sauberen Holztisches ausgerichtet, während die kalten Leuchstoffröhren von der Decke summen. Den ganzen Morgen über hatte sie mit der Rechtsabteilung der PCWA telefoniert, die zusammen mit den Anwälten von Aliera TV die andere Front bearbeiteten. Madeleine wollte Ergebnisse und Zugeständnisse vorweisen können, bevor sie sich an diesen Tisch setzt.

      Jetzt schaut sie betont entspannt auf ihre Papiere, während der mitgebrachte PCWA-Rechtsanwalt neben ihr an seinem kalten Kaffee schlürft. Dr. jur. Benno Kabuschke sieht eher aus wie ein mürrischer, zerknautschter Fernseh-Detektiv, der seit Monaten nicht durchgeschlafen hatte und jetzt jede der blassen Gestalten der Ermittlungsbehörde abgrundtief verachten würde, die am anderen Ende des Tisches sitzen. Jedenfalls wirkt er nicht wie der liebe alte Onkel, der auf den PCWA-Christmas Parties gern den Weihnachtsmann spielt und mit punschgeröteter Nase in der Nacht an der Karaokemaschine seine Reibeisenstimme zum allerbesten gibt. Die fernsehrechtlichen Anmerkungen von Madeleine kommentiert er hin und wieder mit einem gelangweilten Grummeln, stützt sich dabei auf seine faltige rechte Hand oder wischt Kaffeeflecken mit seiner schlecht gebundenen Krawatte vom Tisch.

      ".. habe ich hier auch eidesstattliche Erklärungen der Verantwortlichen unserer Technikabteilung mitgebracht. Anlage 7/14. Übereinstimmend wird dort - auch mit Rücksprache unserer Partner von Aliera TV - bestätigt, dass die Ausstrahlung besagten Segments auf einem Übertragungsfehler beruhte. Es war KEIN geplanter Teil der laufenden Sendung."

      Ermittler: "Was aber nichts an der tatsächlich ausgestrahlten Straftat ändert."

      Der knautschige Anwalt hustet tief und krächzend.

      Kabuschke: "An der ausgestrahlten SZENE. Alles was hier strafbar ist, ist der Kaffee."

      Madeleine Grimm fährt unbeirrt fort.

      Madeleine Grimm: "Ohne Ermittlungen abzuwarten, haben wir bereits am Tag der Ausstrahlung Kontakt zur Landesanstalt für Medien aufgenommen. Es wurde eine Rüge ausgesprochen, verbunden mit einer Geldbuße, die von PCWA Entertainment und Aliera TV akzeptiert wurde. Als zusätzlichen Schritt wird die entsprechende Szene aus sämtlichen Wiederholungen der Show entfernt, sowie direkt vor der nächsten Sendung ein Disclaimer mit einer Entschuldigung für das Vorkommnis eingeblendet."

      Die Ermittler bekommen von Madeleine Unterlagen gereicht. Man macht sich mit betont ernsthaften Gesichtern Notizen.

      Die Leuchtstoffröhren summen überlaut. Hüsteln im Raum, Blättern in Papieren.

      Ermittlern: "Sein wir ehrlich. Selbst sie müssen doch wissen, was passiert, wenn so etwas im TV zu sehen ist. Gerade bei einem Produkt wie dem ihren. Wir haben innerhalb kürzester Zeit so viele Anzeigen reinbekommen, dass uns das verdammte Papier ausgegangen ist.."

      Kabuschke: "Schön, wenn man Fans hat, die sich sorgen. Ich selbst hab damals tränenaufgelöst beim ZDF angerufen, als bei Daktari der einbeinige Schimpanse aus der Baumkrone geschossen wurde."

      Ermittler: "Ich bitte sie.."

      Als Antwort kommt ein ungehaltenes Knurren. Die alte hellbraune Lederjacke des PCWA-Juristen quietscht gepeinigt, als sich sein Träger nach vorn beugt und Finger mit braunen Altersflecken auf die Tischplatte trommeln.

      Kabuschke: "Und wir danken, Kollegen. Einvernehmlicher Sex. Irrtümlich ausgestrahlt durch einen Übertragungsfehler. Meine Frau hat sich letztens irgendein zweistündiges Familiendrama angeguckt, das fälschlicherweise komplett im türkischen Originalton ausgestrahlt wurde. Und wenn ich meine drahtlosen Kopfhörer zu Hause aufsetze, hör ich die Audiospur vom Porno-Abend meines Nachbarn. Mein Friseur lässt sich abends im Sissi-Kostüm den Hintern von seinem thailändischen Lover versohlen. Käme das aus Versehen als Live-Event im Fernsehen, könnte mich auch dieser Anblick nicht vom simplen Umschalten abhalten. Egal wie wir alle das interpretieren oder deuten wollen. Es war einvernehmlich. Sie haben die Aussagen der Beiden. Eidesstattlich, freiwillig und ohne vorgehaltenen Revolver."

      Madeleine Grimm: "Wir haben natürlich dennoch Kriss Dalmi mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt. Der höchsten, bei uns jemals ausgesprochenen. Zusätzlich wird er präventiv mit einem Spezialisten sprechen. Ebenso haben wir deutlich gemacht, dass bei einem weiteren - zweideutigen - Vorkommnis die fristlose Entlassung erfolgt."

      Ermittler: "Zweideutig.. ja. Mit Sicherheit. Auch wenn sie das alles schlüssig zurechtgezimmert haben, so besteht von unserer Seite immernoch die Möglichkeit wegen Vortäuschung einer Straftat zu ermitteln."

      Kabuschke: "In Erinnerung an mein erstes Jura-Semester, verborgen unter morgendlichen Katern und Alka Seltzer-Nebel: Vortäuschung? Zu wessen Schaden? Zu wessen Nutzen? Ich bitte sie. Wir sind hier in Berlin. Ermitteln sie lieber wegen Vortäuschung eines Flughafenbaus."

      Der Ermittler beugt sich nach vorn.

      Ermittler: „Ach lassen sie doch diesen Blödsinn..“

      Kabuschke und der Beamte brechen in einen kurzen Disput aus, während Madeleine Grimm einmal tief durchatmet. Aufgeschreckt wird sie, als ihr Handy leise summt.
      Während sich die Herren weiter ihren verbalen Abnutzungskrieg liefern, schaut sie auf das Display.

      Unbekannter Teilnehmer
      -Remember. It’s all about POLITICS.-


      Ihre Augen saugen sich am grossgedruckten Wort fest.
      Dann blickt sie auf.

      Madeleine Grimm: „Lassen wir doch die Fassaden fallen, bitte. Sie sitzen hier als Vertreter des Rechts und sehen uns als Vertreter irgendeines Unterhaltungsprodukt an. Doch am Ende geht es nur um .. Politik.“

      Selbst Benno Kabuschke lehnt sich ohne jegliches Grummeln zurück und überlässt der Frau von der PCWA die Bühne.

      Madeleine Grimm: „Politik ist das, was unsere Maschinen zum laufen bringt und unsere Karren aus der Erde holt, wenn Dreck an den Speichen klebt. Wissen Sie eigentlich, wieviel Umsatz wir in einem Jahr machen? All die Zahlen, für die auch gern diese Stadt ihre darbenden Hände aufhält. Die vielen Jobs, die wir offerieren. Stellen, die wir gehalten haben. Unsere Events füllen Arenen und verkaufen Shirts, die in Kreuzberg gedruckt werden. Wegen uns landen Flugzeuge in Tegel und halten Busse vor Museen. Unsere Events füllen Hotels, die in Spandau und Wedding stehen. Keine Taube hackt ihren Schnabel in die Hand,die ihr das Futter reicht.“

      Unbekannter Teilnehmer
      -Open the Attachment.-
      100BS_Party_87.jpg


      Der Beamte vor ihr nickt bedächtig.
      Er trommelt leise mit dem Kugelschreiber auf seinen Papieren herum.

      Ermittler: „Ich muss mit meinem Vorgesetzten sprechen.“

      Madeleine Grimm lehnt sich nach vorn, fährt sich mit der rechten Hand durchs Haar. Gerade so als hätte sie einen vergessenen Freund nach langer Zeit wiedergesehen.

      Madeleine Grimm: „Christoph Zensberg, richtig?“

      Ermittler: „Ahm.. ja.“

      Madeleine Grimm: „Supernetter Mensch. Also ich habe ihn noch nicht direkt kennengelernt, aber er war mit ein paar anderen wichtigen Persönlichkeiten auf dem Empfang, den die PCWA anlässlich von Vendetta 100 veranstaltet hat. Sie wissen schon, das branchenübliche Tête-à-Tête, wenn ein Unternehmen etwas zu feiern hat. Seriöser Anstrich. Leute aus der Wirtschaft und der Politik. Größere oder kleinere Fernseh-Kollegen.“

      Der Beamte faltet die Arme vor der Brust zusammen.
      Seine Mundwinkel bilden eine gerade, mürrische Linie, während die PCWA-Angestellte auf ihr Smartphone schaut.

      Sie lacht auf, als sich dort das Foto öffnet

      Madeleine Grimm: „Was für ein Abend. Was glauben Sie: hatte ihr Vorgesetzter seinen Spass bei uns?“

      Maddie schiebt das Smartphone zum Beamten rüber.

      Der Ermittler blickt auf eines dieser Partyfotos, das nur zu spätester Stunde entstanden sein konnte.

      Sein Vorgesetzter, in seiner breiten Statur, in einem weißen Hemd, an den Achselhöhlen durchgeschwitzt. Das kann man gut erkennen, weil er seine Arme rechts um eine heiß aussehende Hostess mit knappem PCWA-Bikini und links um Cinderella Brunswick gelegt hat, die nicht minder verführerisch drein schaut. Während die Augen des Herren in einem hochroten Gesicht glücklich dreinschauen, nestelt die Hostess lasziv an seiner lockeren Krawatte.

      Madeleine Grimm: „Es war ein Abend, der mit Sekt startet und mit Wodka endet – und es mit später Stunde immer mehr zu erzählen gibt. Zum Beispiel, dass es Herr Zensberg in diesem Jahr auf das Amt des Polizeipräsidenten abgesehen hat. Ich meine.. das hätte er sich absolut verdient. Ein anständiger, seriöser Mann verdient eine bedeutende, beispielhafte, verantwortungsvolle Position. Meinen Sie nicht auch?“

      Der Beamte hat sich während Maddies Worten zurückgelehnt. Sein Kugelschreiber liegt jetzt bewegungslos auf dem Tisch neben der Mappe, die er mit einem Seufzen schließt.

      Ermittler: „Warten sie hier.“