Tagebuch von Alexis Bellamy

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    • Tagebuch von Alexis Bellamy

      TAGEBUCH VON ALEXIS BELLAMY



      Wenn DU hier reinschaust, BRINGE ICH DICH UM!



      Montag, 28.03.2016

      Mit dem heutigen Tag endete mein einwöchiger Besuch bei Darren und Birgit in Stuttgart, und obwohl nicht mal ein ganzer Tag vergangen ist, vermisse ich die beiden jetzt schon. Ich brauche wohl nicht extra erwähnen, dass das Gespräch während der Fahrt zum Flughafen zwangsweise auch mein liebes Schwesterherz zum Thema hatte und obwohl es, so gut es ging, vermied, Ash anzusprechen, habe ich die Enttäuschung von Darren deutlich gespürt. Ich kann das immer noch nicht glauben, dass Ash sich nicht einmal bei ihnen gemeldet, seit sie jetzt in Deutschland lebt. Darren ist unser gottverdammter ONKEL! Und dann wirft sie mir ständig vor, ich hätte keinen Anstand. So egoistisch von ihr…

      Natürlich war es am Check-In ein tränenreicher Abschied, zumindest für Birgit und mich. Darren – ganz der Marine – konnte oder wollte das wohl nicht zeigen, aber auch ihm habe ich eine gewisse Rührung angesehen. Ich hoffe sehr, dass ich die beiden im nächsten Jahr noch mal besuchen kann. Stuttgart ist wirklich wunderschön! Beim nächsten Mal dann vielleicht ein bisschen länger.

      Der Flug nach Berlin dauerte laut Ticket etwas über eine Stunde. Für mich hat er sich aber sehr viel länger angefühlt. Ich wusste ja, mit welchem Auftrag mich Mum und Dad nach Deutschland geschickt haben. Ich wusste ja, dass ich meine Streitigkeiten mit Ash ein für allemal aus der Welt räumen sollte. Ich hatte, als ich noch im Flugzeug saß, wirklich Angst, dass es zwischen uns so furchtbar eskalieren würde wie an Weihnachten. Es war zu meiner positiven Überraschung dann doch ein bisschen anders. Wenn auch… komisch. Als sie mich vom Flughafen abgeholt hat und wir mit dem Taxi zu ihr nach Hause gefahren sind, war da so eine total merkwürdige Distanz zwischen uns, bei der ich nicht sagen konnte, woran das genau lag. Wenn uns jemand so gesehen hätte, hätte man wohl denken können, dass zwischen uns alles ganz harmonisch ist. So hat es sich für mich aber nicht angefühlt. Eher wie eine Art Waffenruhe? Ich habe mich jedenfalls den ganzen Abend nicht getraut, das zur Sprache zu bringen, denn alles ist besser als ein neuer Streit mit Ash. Wir haben generell nicht viel gesprochen, auch nicht, als wir angekommen sind. Dass sie das überhaupt nicht stört?

      Bei unserer Ankunft habe natürlich auch zum ersten Mal ihre Wohnung gesehen und was soll ich sagen? So richtig scheint Ash noch nicht angekommen zu sein, wenn man sich die ganzen herumstehenden Kartons so ansieht. Und irgendwie ist es auch kleiner als ich erwartet hätte. Mit zwei Zimmern definitiv kleiner als ihre Wohnung in KC. Ob sie sich keine Größere leisten kann? Ich dachte ja immer, dass diese ganzen Wrestler alle im Geld schwimmen, aber da muss ich mich wohl geirrt haben.

      Ich habe mich dann doch irgendwann dazu durchringen können, mit ein bisschen Smalltalk anzufangen. Es war natürlich total oberflächlich – sie wollte wissen, wie es bei mir in der Schule lief und ich habe (aus reiner Höflichkeit!) nach ihrer Arbeit gefragt, wobei ich irgendwie nur die Hälfte verstand. Was ich rausgehört habe, war wohl, dass an diesem Wochenende eine total wichtige Veranstaltung sei, für die sie sich vorbereiten müsse. Ich hatte jedoch trotzdem das Gefühl, dass sie ein bisschen um den heißen Brei herumgeredet hat – keine Ahnung wieso. Erstaunlich fand ich, dass sie sich ausnahmsweise mal nicht über mein Liebesleben (DAS SIE HALT AUCH ABSOLUT NICHTS ANGEHT!!!) erkundigt hat. Es hätte zwar sowieso nichts zu berichten gegeben, weil ich dieses verdammte Arschloch Cameron nach wie vor niemals wiedersehen will, aber es war... schon wieder eine positive Überraschung. Ash ist wegen ihrer Arbeit dann auch ziemlich früh ins Bett gegangen und nun ist es fast 12 PM und ich schreibe diesen Eintrag fertig.

      Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich noch nicht so ganz weiß, was ich von unserer momentanen Situation halten soll. Es ist unangenehm, so zu tun, als sei nichts gewesen. Wir wissen es beide eigentlich besser. Aber ich schätze für unsere Verhältnisse läuft es gerade ganz gut. Ich bete, dass es so bleibt.

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    • Dienstag, 29.03.2016

      Als ich heute Morgen aufgewacht bin – das war so um 7 würde ich schätzen? – war Ash weg. Legit vom Erdboden verschluckt. Zugegeben, es gab Phasen, da hätte ich mir gewünscht, dass das ein permanenter Zustand gewesen wäre, aber im ersten Moment hat es mich ein bisschen beunruhigt, weil sie gestern auch nicht erwähnt hatte, wann und wie lange sie weg sein würde. Und nur um das noch mal an dieser Stelle festzuhalten: Ein Post-It am Kühlschrank, auf dem „Muss Dinge erledigen. Bald wieder da. <3“ steht, ist als Info absolut dürftig, Sis! Besonders wenn man dann auch noch vergisst, mir einen Wohnungsschlüssel dazulassen!

      Das erste, was ich dann gemacht habe, um die Zeit bis zur triumphalen Rückkehr von Wrestling-Superstar Ashley Stanton totzuschlagen, war, mit Mom zu skypen und ihr noch mal zu versichern, dass ich mich auf jeeeeden Fall mit Ash aussprechen werde, was ich auch definitiv tun will… nur noch nicht heute. Während ich also darauf wartete, dass Ash wieder nach Hause kommen würde, wurde mir zwischenzeitlich sogar SO langweilig (17 Tage noch bis zur neuen Orphan Black-Staffel – ich halte es einfach nicht mehr aus!), dass ich ernsthaft noch einen Versuch unternommen habe, mir auf Youtube einen von Ashs Wrestling-Kämpfen anzusehen, weil ich wirklich verstehen, wieso man mit sowas seine Zeit verschwendet. Aber sorry… Kopf --> Tisch. Ich kann nicht anders, als mich darüber aufzuregen, wie zwei aufgetakelte, halbnackte Tussis Nerdfantasien bedienen, indem sie sich auf dem Boden herumwälzen und irgendwelche obskuren Griffe miteinander austauschen, bis bei diesem konfusen Regelwerk dann endlich mal eine von beiden gewonnen hat. Jetzt mal ehrlich: Wie kann man sich so einen Schrott nur anschauen? Und viel schlimmer: Wieso gibt sich Ash für so einen Schrott überhaupt her? Sie sieht aus wie eine verdammte Stripperin!!! Ich kann Dads Antihaltung gegenüber Ashs „Job“ SO gut nachvollziehen. Sie verschwendet einfach ihre Zeit mit diesem Unsinn.

      Irgendwie habe ich den restlichen Vormittag dank Netflix dann doch noch rumbekommen, bis Madame sich endlich dazu bequemt hat, nachzusehen, ob ihre kleine Schwester überhaupt noch am Leben ist (das war übrigens um 2 PM). Ich habe Ash daraufhin gefragt, wo sie die ganze Zeit abgeblieben ist und wieso sie weder sie weder meine Anrufe angenommen, noch WhatsApp geantwortet hat. Das hat sie natürlich sofort als Angriff aufgefasst und mich in einem ziemlich kratzbürstigen Ton darüber aufgeklärt, dass es momentan zu ihrer morgendlichen (!) Routine gehört, ins Gym und danach in den Fight Club zu gehen, um dort zu trainieren… In den Fight Club… Ist klar, Ash! Dabei wollte ich WIRKLICH nur wissen, wo sie abgeblieben ist, weil… sowas macht man doch einfach nicht.

      Nachdem ich mich kurz darauf als Versuchskaninchen für ihre eher bescheidenen Kochkünste hergegeben habe, – und ich kann es jetzt immer noch nicht glauben – durfte ich dann endlich mal, ganz für mich allein, zum ersten Mal in meinem Leben Berlin erkunden. Ersteindruck? Einfach nur umwerfend! Überall scheint in dieser Stadt etwas zu passieren, irgendwie ganz anders und viel lebhafter als Parkville oder Downtown KC. Starten wollte ich meine Entdeckungsreise durch die Hauptstadt jedenfalls mit den typischen Touristenattraktionen. Reichstagsgebäude, Mauergedenkstätte, Siegessäule, Brandenburger Tor, Fernsehturm, Holocaust-Mahnmal – ich habe versucht, so viele Sachen wie möglich mitzunehmen und bei Instagram zu dokumentieren.

      Früh abends war ich von der vielen Lauferei dann allerdings so erschöpft, dass ich wieder zu Ash in die Wohnung gegangen bin. Spoiler-Alarm: Sie war selbstverständlich nicht mehr zuhause, aber so musste ich wenigstens nicht „das Gespräch“ mit ihr führen, bei dem ich immer noch das Gefühl habe, dass es in einer Katastrophe enden wird. Während ich zu Abend gegessen habe, ist mir auf Ashs Schreibtisch ein Schreiben aufgefallen, das sie in ihrer typischen Ash-Verplantheit dort wohl vergessen haben musste. Ich weiß, dass sich das nicht gehört und ich mir das unbedingt abgewöhnen muss, aber irgendwie packte mich die Neugier und ich wollte unbedingt wissen, was drin stand. Jetzt wünsche ich mir, ich hätte es nicht angerührt. Wollte sie mir das verheimlichen?

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    • Mittwoch, 30.03.2016

      Ich hatte letzte Nacht nicht mehr die Gelegenheit mit Ash über diesen Brief von Wells Fargo zu sprechen. Als sie nämlich nach Hause kam, ist sie quasi von der Eingangstür direkt ins Bett gefallen und da wollte ich sie nicht noch mit solchen Dingen belasten. Sie hatte gestern Mittag schon angekündigt, dass sie heute den ganzen Tag weg sein und erst morgen wiederkommen würde. Irgendetwas total Wichtiges, was sich „Houseshow“ nannte – keine Ahnung. Ich konnte heute also mehr oder weniger machen, worauf ich Lust hatte und habe mich dann dazu entschieden, einen kleinen Bummel über den Kurfürstendamm zu unternehmen, wo ich mich in dieses uuuunglaubliche Paar Stiefletten verliebt habe, das ich dort einfach mitnehmen MUSSTE!!!

      Ich habe mich dann in eines dieser vielen, schicken Cafés gesetzt, um einen Happen Essen zu mir zu nehmen (vegetarische Fettuccine mit Blumenkohl und Avocado-Schmand! Yummy!), wo ich dann auch meine Nachrichten gecheckt habe. Das wäre wohl eigentlich nicht der Rede wert, wenn mir dieser komische Barker4Life_1996, der schon seit Monaten auf Ashs und meinen Social Media-Präsenzen rumhängt, nicht aus heiterem Himmel bei Facebook eine Nachricht geschickt hätte, was… merkwürdig war? Ich meine, normalerweise interessiert es mich ja nicht, welches Klientel Ash mit ihrem Beruf anzieht, aber dieser Barker4Life war dann doch noch mal ein ganz anderes Kaliber. Ich konnte nicht sagen, ob er (oder sie?) nur ein total schräger Superfan war oder schon ins Stalkerhafte abdriftete. Dass er mich jetzt aber einfach so anschrieb, machte ihn ehrlich gesagt schon ein bisschen unheimlich. Wahrscheinlich hätte ich ihn einfach ignorieren sollen und ich kann nicht sagen, was mich da geritten hat, aber meine Neugier war in dem Augenblick so stark, dass ich B4L gefragt, was er von mir wollte, woraufhin er behauptete, dass er angeblich ein Arbeitskollege von Ash sei. Der meinen Rat benötigte. Wegen Ash. Und weil es total dringend sei.

      W-T-F.
      Nein, ernsthaft.
      WHAT THE FUCK?

      Das war in dem Augenblick definitiv zu viel Internet an diesem Tag und ich habe ihn ganz schnell geblockt. Trotzdem überkommt mich jetzt noch eine Gänsehaut, während ich darüber schreibe und kann nach dieser Begegnung der dritten Art nun noch weniger verstehen, wie man sich für diesen albernen Wrestling-Käse hergeben kann, wenn man dabei solche… „Fans“ anzieht.

      Wie dem auch sei. Morgen, wenn Ash wieder in Berlin ist, werde ich mit ihr wohl das Gespräch suchen müssen. Sonderlich lange kann ich es nicht mehr aufschieben. Aber irgendwie macht mir das immer noch Angst…

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    • Donnerstag, 31.03.2016

      Sie hat es wirklich getan. Meine eigene Schwester hat mich geschlagen.

      Ich kann immer noch nicht glauben, dass alles plötzlich so eskaliert ist. Ich kann einfach nicht aufhören zu weinen. Auch jetzt nicht, während ich in einem McCafe sitze und die Leute mich alle komisch angucken. Eine Frau kam sogar zu mir und hat mich gefragt, ob alles okay sei. Das ist es wohl nicht, wenn man mit Tränen in den Augen in der hintersten Ecke eines McDonalds sitzt und nicht mehr klarkommt. Aber ich kann der Frau deswegen wohl nicht böse sein. Sie hat es ja nur gut gemeint.

      Es fällt mir gerade unglaublich schwer, in einer Situation wie dieser meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Ich bin immer noch fassungslos, traurig, aufgewühlt, sauer. Schreiben hilft. Und Junkfood.

      Ich hatte wegen des aussöhnenden Gesprächs, das ich Mum und Dad versprochen hatte, mit Ashley zu führen, schon den ganzen Tag über ein ganz mulmiges Gefühl. Als Ashley dann abends von ihrem Training nach Hause kam, hat sie auch nicht lange gebraucht, um zu merken, dass etwas mit mir nicht stimmte und sie wollte wissen, was mit mir los sei. Ich habe daraufhin die Katze aus dem Sack gelassen und sie gefragt, ob sie in Schwierigkeiten stecken würde. Wegen des Briefs von der Bank und den Kreditraten, die angeblich von ihr noch nicht beglichen wurden. Mir war klar, dass sie darauf sauer reagieren würde, aber nicht, dass sie SO ausflippt. Sie ist so sehr ausgerastet, dass sie mich an den Oberarmen gepackt, geschüttelt und angeschrien hat, was mir einfiele, in ihren Sachen zu wühlen. Bis dahin hatte ich sie noch nie so zornig erlebt. Das hat mir in dem Moment richtig Angst gemacht.

      Ich weiß, dass das mit dem Brief nicht in Ordnung von mir war. Ich weiß auch, dass diese komische Brawling Rumble-Verstanstaltung super wichtig für sie ist und sie so eine „Ablenkung“ gerade nicht braucht, aber ich habe sie damit konfrontiert, weil ich mich um sie sorgte (was man halt so unter Geschwistern tut!). Hat sie in dem Augenblick trotzdem nicht interessiert. Zu dem Zeitpunkt war ich schon total aufgelöst, habe geweint und am ganzen Körper gezittert, wollte wissen, ob Mum und Dad davon bescheid wussten, aber sie hat ab da geblockt und mich angekeift, dass ich mich um meinen eigenen Scheiß kümmern soll. Ausgerechnet SIE hat mir das gesagt! Sie, die sich in letzter Zeit pausenlos in mein Leben eingemischt hat!!! Das habe ich ihr genau so ins Gesicht gesagt. Und dass dieser blöde Wrestling-Scheißdreck sie OFFENSICHTLICH nicht nur zu einer schlechteren Person macht und ihr Leben ruiniert, sondern auch ihre Familie in Mitleidenschaft zieht. Wie kann ihr das nur so egal sein? Wieso sind wir ihr so egal? Sie weiß, dass Dad es hasst und von Mum weiß sie es ebenfalls, auch wenn sie das Ashley gegenüber niemals so deutlich zugeben würde. Aber ihr „Job“ (JA, immer noch in SCHEISS Anführungszeichen!!!) ist es ja wert, die eigene Familie im Stich zu lassen, um sich von tausenden, notgeilen Freaks bei diesem... was auch immer das sein soll begaffen zu lassen! Einfach nur ekelhaft!

      Ich schätze der Moment, als ich ihr das alles gesagt habe, war dann auch der Moment, in dem sie die Wahrheit nicht mehr ertragen konnte und mich aus dem Nichts geohrfeigt hat. Das habe ich in der ersten Sekunde gar nicht realisiert. Als ich jedoch begriff, was da gerade passiert war, wollte ich dieser Situation einfach nur so schnell wie möglich entfliehen. Ashley lief mir hinterher, wollte sich bei mir entschuldigen und mich vom Gehen abhalten, aber ich musste weg. Weg von ihr, weg von dieser Person.

      Es ist jetzt 0:30 AM und nun, wo ich mir das alles von der Seele geschrieben habe, geht es mir ein bisschen besser. Wenn ich allerdings ehrlich bin, weiß ich nicht, wie es weitergehen soll. Ich kann nicht zurück in die Wohnung gehen. Höchstens noch, um meine Sachen zu holen. Aber keine Sekunde will ich mehr mit dieser Frau unter einem Dach wohnen.

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    • Freitag, 01.04.2016

      Gestern Nacht (oder vielmehr heute Morgen) bin ich doch noch zurückgegangen, nachdem ich mich von dem ersten Schock wieder ein wenig erholt hatte. Das muss so kurz vor 2 AM gewesen sein? Ich wusste, dass meine Schwester – und es fällt mir nun so unglaublich schwer, dieses Wort zu schreiben – noch wach war, weil sie in der Zeit meiner Abwesenheit pausenlos versucht hat, mich anzurufen. Auch in der Wohnung hat Ashley probiert, sich zu entschuldigen und nannte das Ganze ein „Versehen“ (!), das ihr schrecklich leidtue und nie wieder vorkommen würde. Aber ganz ehrlich? Will sie mich eigentlich verarschen?? Wieviel ist so eine Entschuldigung denn bitte wert?! Wer garantiert mir, dass sie nicht wieder so reagiert, wenn ihr etwas nicht passt?! Tut mir leid, es hier noch mal betonen zu müssen, doch DAS war gestern nicht mehr meine Schwester, sondern irgendjemand anders. Mich macht das zwar auch unglaublich traurig, allerdings werde ich meine Meinung deshalb nicht ändern. Ich werde weiterhin bis Montag früh, wenn ich wieder im Flieger Richtung Heimat sitze, kein einziges Wort mit dieser Frau wechseln!

      Wie zu erwarten, war Ashley nicht mehr da, als ich aufgewacht bin, womit sie einmal mehr bestätigt hat, wo ihre Prioritäten lagen. War im Grunde aber egal, weil ich sie wohl sowieso ignorieren würde, auch wenn sie zum tausendsten Mal versucht hätte, sich bei mir zu entschuldigen. Ihre Morgenroutine gab mir dafür Zeit, die momentanen Verhältnisse noch mal zu rekapitulieren, doch egal aus welcher Perspektive ich es auch betrachtete, ich kam immer zu dem Ergebnis, dass Ashley falsch lag. Mit allem. Außer vielleicht mit der Briefsache, aber selbst da habe ich es nur gut gemeint. Jedenfalls hat der gestrige Abend gezeigt, was für einen schrecklichen Menschen dieser Wrestling-Schrott aus Ashley gemacht hat. Und ich bin nicht bereit, mir das noch länger mitanzusehen. Ich bin nicht (!) die nichtsnutzige Teenagergöre, die Ashley nur in mir zu sehen scheint und im Gegensatz zu ihr bedeutet mir der Zusammenhalt unserer Familie auch etwas. Ich weiß nicht, wieso sie das alles nicht kümmert, aber wenn sie es selbst nicht einsehen will, muss ich eben nachhelfen.

      Ich habe am Vormittag also den Entschluss gefasst, alles in meiner Macht stehende zu tun, um ihren Brawling Rumble-Abend zu sabotieren. Damit sie endlich aufwacht.

      Ich hatte zwar im ersten Moment keinerlei Ahnung, wie ich das ohne Bezugspunkt zu ihrem Arbeitgeber anstellen sollte. Der Geistesblitz kam mir dann aber, als ich nach Anhaltspunkten auf Ashleys Instagram geschaut hatte und mir einmal mehr ihr No. 1-Supercreep Barker4Life_1996 aufgefallen war, der wieder mal alles geliked und kommentiert hat, was es in den letzten Tagen zu liken und kommentieren gab (sympathisches Foto aus dem Gym übrigens – du bist so eine unglaubliche Heuchlerin!). Als ich diesen Namen las, musste ich unweigerlich an vorgestern denken, wo er mich auf Facebook anschrieb, weil uh… creepy af?! Jedoch erinnerte ich mich auch daran, dass er erwähnte, angeblich ein Arbeitskollege von Ashley zu sein.

      Jetzt war die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei nur um eine Geschichte handelte, die er mir aufgetischt hat, größer, als dass es wirklich gestimmt hätte. Gleichzeitig war B4L allerdings auch der einzige Strohhalm, den ich greifen konnte, wenn ich diese Sache wirklich durchziehen wollte. Ich habe ihn also nach langem Überlegen entblockt und angeschrieben, wobei es nicht mal 10 Minuten gedauert hat, bis er mir antwortete. Ich brauchte natürlich irgendeine Sicherheit, dass er auch wirklich der Typ war, für den er sich ausgab. Er schickte mir also ein Handy-Pic von seinem Backstage-Pass, zusammen mit einem Zettel, auf den er sein Twitter-Handle geschrieben hat, was mir in dem Moment Beweis genug war. Und siehe da! Nach einer kurzen Google-Recherche hat sich tatsächlich herausgestellt, dass der Name „Benedict White“ wirklich existierte und er wie Ashley in der gleichen Liga kämpfte. Übrigens muss ich an dieser Stelle anmerken, dass er ganz anders aussah, als ich ihn mir nach seinem obsessiven Social Media-Gestalke vorstellte. Wenn ich wirklich ehrlich bin, sah er auf eine gewisse Dexter-Art sogar ganz süß aus.

      Ich hatte damit jedenfalls meine Verbindung und anhand seines übertriebenen Interesses an Ashley konnte ich mir vage zusammenreimen, welche Ratschläge er sich von mir einholen wollte. Es wäre für ihn wahrscheinlich einfacher, zeitsparender und vor allem mutiger, wenn er sie direkt fragen würde, ob sie ihn auf ein Date begleitet, aber hey! Ich verurteile niemanden und weiß darüber hinaus, wie ätzend mein liebes Schwesterherz sein kann. Ich würde da wohl ebenfalls sehr vorsichtig agieren, um mir nicht sofort eine Backpfeife einzufangen. Und außerdem kann ich nicht leugnen, dass mir das unter Umständen, in die Hände spielen könnte, obwohl ich noch nicht genau weiß wie.

      Auf jeden Fall, habe ich mit B4L ausgemacht, dass wir uns morgen in der Mall des Phoenix Centers (?) treffen wollen. Also an einem neutralen Ort… Mit vielen Menschen… So ganz kann ich mich nämlich noch nicht davon freimachen, dass er mir nach wie vor ein bisschen suspekt vorkommt. Ich bin jedoch bereit, dieses Risiko einzugehen. Hier geht es schließlich um mehr, als nur meinen verletzten Stolz. Was auch immer sich aus dieser Sache entwickelt, Ashley wird am Wochenende noch ihr blaues Wunder erleben.